Cannabis

Dass Cannabis

für chronische Schmerzpatienten rechtlich nicht freigegeben ist, läßt sich medizinisch nicht begründen. Eher wirtschaftlich. Lieber nimmt der Staat billigend in Kauf, dass sich Schwerkranke illegal mit verunreinigtem Haschisch versorgen und ihre Gesundheit zusätzlich gefährden.

Vom Joint zum Freund – in der Schmerzmedizin

In Deutschland dürfen per Regierungsentscheid vom August 2010 Medikamente, die Cannabis enthalten, als Schmerzmittel zugelassen werden. Damit beginnt nach jahrzehntelanger Verteufelung der uralten Heilpflanze endlich ein Umdenken – in Medizin und Politik, schreibt die „taz“: „Das Bundesgesundheitsministerium begründete die Änderung des Betäubungsmittelgesetzes mit einem ‚gewandelten wissenschaftlichen Erkenntnisstand’.“(1) Als Freibrief zum „wilden“ Hanfanbau darf diese Entscheidung jedoch nicht gesehen werden. Sowohl der Vertrieb und Verkauf von Hanfsamen, als auch der Anbau bleiben verboten. Die zur Medikamentenherstellung benötigten Pflanzen dürfen lediglich importiert werden, so will es der Gesetzgeber. Die Beschränkungen sind vorrangig allem im Hinblick auf die Versorgung Sterbender und Schwerkranker abgebaut worden. So dürfen laut „taz“ Hospize und ambulante Notdienste für diese Patienten einen Vorrat an Cannabis-Medikamente halten.

Einen ähnlichen Erfolg konnten bereits im Jahr 2004 zwei chronisch kranke Patienten erstreiten. Beide standen wegen des Besitzes von Marihuana vor Gericht, wurde jedoch freigesprochen auf Grundlage von § 34 StGB. Dieser Paragraph spricht von einem „rechtfertigendem Notstand“, nach dem beide Patienten nur durch Marihuana eine deutliche Linderung ihrer Krankheitssymptome erfahren hätten. Eine andere Medikation sei nicht möglich bzw. deutlich teurer – z.B. mittels des chemisch hergestellten Wirkstoffs THC. Legal wird der Anbau dadurch nicht und somit entsteht wiederum eine Diskrepanz zwischen der Fürsorgepflicht des Staates und den Belangen des Staates am Verbot von Betäubungsmitteln. Mediziner und Wissenschaftler fordern eine Freigabe der Cannabis-Pflanze zu medizinischen Zwecken, die dann endlich auch durch Studien hieb- und stichfest geprüft werden könne.

Die befürchtete Gefahr des Anstiegs an Marihuana-Konsumenten durch eine Freigabe schimpft Holland schon seit Jahren Lügen, hat das Land doch den EU-weit niedrigsten Prozentsatz an Haschisch-Konsumenten.

Die Verdammung und schließlich auch Verbannung von Cannabis begann in den 30-er Jahren in den USA. Nachdem der erste US-Drogenbekämpfer Anslinger 1937 trotz Protesten der amerikanischen Ärzteschaft ein Anbauverbot für Hanf durchsetzen konnte, erreichte er kurze Zeit später sogar ein Verbot von Cannabis in „sämtlichen medizinischen Präparaten“. In seiner späteren Funktion als UN-Drogenkommissar konnte Anslinger ein globales Hanfverbot durchsetzen, dass schließlich auch das Wissen um die heilende Wirkung der Pflanze aus den Lehrbüchern verbannte und dadurch nahezu auslöschte.
Doch nicht nur Anslinger ist es zu verdanken, dass Cannabis verboten wurde. Politisches Kalkül und das Motto „eine Hand wäscht die andere“ wurden der Heilpflanze zum Verhängnis: So stimmte das Deutsche Reich für das von Ägypten beantragte Cannabisverbot. „Zuvor hatten die Ägypter versichert, in diesem Fall kein Importverbot gegen einen Bestseller der deutschen Bayer-Werke namens ‚Heroin’ zu erlassen.“, schreibt die „taz“ weiter.

Erst in den 1990-er Jahren erinnerte man sich sporadisch wieder und so wurde zumindest der synthetisch hergestellte Hanfwirkstoff THC in Deutschland als Arzneimittel zugelassen – zu unglaublichen Preisen, versteht sich: laut “taz“ kosten 150 mg ca. 500 Euro. Da kommt die Frage auf: wieso wird ein Stoff synthetisch hergestellt, wenn er doch in der Natur – sprich in der Hanfpflanze – für deutlich weniger gewonnen werden kann mit deutlich stärker Wirksamkeit? Die Profitierenden sind in keinem Fall die Kranken, sondern die Pharmaindustrie.

Cannabis ist ein vielseitig einsetzbares Mittel – das wussten nicht nur die alten Chinesen und Ärzte der Antike. Bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts galt es in aller Welt nahezu als Allheilmittel. Es hilft unter anderem bei Übelkeit, Krämpfen, Schlaflosigkeit und Depressionen. Vor allem seine schmerzstillende Wirkung steht hoch im Kurs. So berichtet die „taz“, dass Patienten, die auf Morphin angewiesen sind, die Dosierung um die Hälfte senken können, wenn sie Cannabinoide (hanfähnliche Wirkstoffe) einnehmen können. (JW)

(1) www.taz.de. vom 17.08.2010